Internet of Things – Ein Überblick zu Chancen und Herausforderungen
„Es wird in wenigen Jahrzehnten kaum mehr Industrieprodukte geben, in welche die Computer nicht hineingewoben sind.“
– Karl Steinbuch, 1966
Bereits 1991 beschrieb Mark Weiser das Internet of Things (IoT) in seinem Artikel „The Computer for the 21st Century“ zum ersten Mal und er hatte wohl nur eine kleine Vorstellung, welche Möglichkeiten und Herausforderungen IoT mit sich bringen würde. Das Thema Internet of Things, Machine-to-Machine (M2M) und Industrie 4.0 hat in den letzten Monaten deutlich mehr Aufmerksamkeit erhalten, als in den Jahren davor. Verbrachte IoT vor dem Jahr 2013 sein Dasein noch halbwegs in einer Nische, so ist seit 2013 ein gestiegenes Interesse zu verzeichnen, welches sich im Jahr 2016 zu einem regelrechten Hype entwickelt hat (siehe Google Trends). Jedoch bewegt sich die Diskussion um IoT, M2M und Industrie 4.0 meistens noch auf so einem abstrakten Level, dass die Zusammenhänge und Herausforderungen oftmals nicht klar werden.
Der älteste der drei genannten Begriffe ist M2M, da dieses Prinzip bereits seit Jahrzehnten für Maschinenkommunikation genutzt wird. Grundsätzlich beschreibt M2M die reine Kommunikation zwischen Geräten. Waren dies früher Direktverbindungen oder lokal vernetzte Systeme, bekam die drahtlose M2M Kommunikation ab Mitte der 90er Jahre einen Schub (u.A. durch die Einführung des GSM Module M1 durch Siemens). Dadurch war es möglich, dass deutlich mehr (bewegliche) Maschinen miteinander kommunizieren konnten. Später wurden M2M Module wesentlich leistungsfähiger – durch integriertes GPS, eingebettete Runtimes für z.B. Java und Einbindung in GSM und CDMA Netzwerke. Im ersten Jahrzehnt der 2000er Jahre wurden Anstrengungen unternommen, technische Voraussetzungen für die Nutzung von M2M für den Konsumentenbereich zu definieren und zu schaffen. Neue, zukunftssichere Protokolle (u.a. MQTT, AMQP, XMPP, OPC-UA) zur Kommunikation wurden entwickelt. Leistungsfähigere Drahtlostechnologien (Wi-Fi) ermöglichen die Vernetzung von Maschinen über die Cloud. Das Prinzip M2M stellt somit die notwendige Grundlage für das Internet of Things.
IoT selbst beschreibt die Anbindung von physischen Gegenständen – Fahrzeugen, Gebäuden, Druckern, Städten, Roboterarm am Fließband etc. – an das Internet. Es ist somit die logische Weiterentwicklung der ursprünglichen Idee von M2M, Maschinen miteinander zu verbinden und ohne äußere Einwirkung miteinander kommunizieren zu lassen. Dabei steht der Gedanke im Vordergrund, dass diese Gegenstände Daten von sich zur Verfügung stellen als auch Befehle von außen entgegennehmen können, die sie dann ausführen. Ziel ist es, durch die Bereitstellung dieser Daten, Prozesse zu optimieren – d.h. Kosten zu senken, Zeit zu sparen etc.
Der Begriff Industrie 4.0 beschreibt die Idee von „Smart Factories“ und der vierten industriellen Revolution (unabhängig davon, dass es nie offiziell eine dritte gab). Werden Fabriken heutzutage, zwar IT-gestützt, vorrangig zentral gesteuert, so beschreibt die Idee Industrie 4.0 eine Fabrik, die selbstständig Aufträge annimmt, verarbeitet und produziert. Dabei optimiert sie selbständig Durchlaufzeiten, Rüstkosten und Wartungsaufwände. Somit kann man M2M als Vorausetzung für IoT und beide Themen (neben anderen technischen Hürden) als Voraussetzung für eine erfolgreiche Realisierung von Industrie 4.0 ansehen.
Möglichkeiten und Technologien
Rein technisch ist somit ziemlich genau definiert, was Begriff der IoT bedeutet. Doch wie können sich Unternehmen auf die Herausforderung IoT vorbereiten – gerade in Hinblick auf die Vision von Friedemann Müttern und Christian Flörkemeier (ETH Zürich), in welcher „das Internet in die reale Welt hinein verlängert wird und viele Alltagsgegenstände ein Teil des Internets werden“? IoT ermöglicht die Verschmelzung von real existierenden Produkten mit der digitalen Welt bzw. dem Internet. Es gibt bereits verschiedene Beispiele dafür, wie IoT im Konsumenten- als auch industriellen Bereich eingesetzt wird bzw. werden kann.
Ein einfaches Beispiel im privaten Bereich ist z.B. intelligente Sportkleidung. Aktuell sind sowohl Laufschuhe, Sportbekleidung etc. von Sportlern passiv und nicht „intelligent“. Zwar können Sportschuhe mit Schrittzählern ausgestattet werden oder der Läufer einen Brustgurt zur Pulsmessung tragen, jedoch wäre es wesentlich hilfreicher wenn die Sportkleidung selbständig Informationen, die vom Körper „bereitgestellt“ werden, einsammelt und z.B. an eine App sendet. Die Möglichkeiten reichen von Laufschuhen, die die aktuelle Geschwindigkeit, Verschleiß, falsches Auftreten bis hin zu T-Shirts, welche die aktuelle Körpertemperatur, den Salzverlust, Pulsdaten etc. messen. Ebenso funktioniert es in die andere Richtung: wenn das Laufshirt feststellt, dass der Läufer eine gewisse Körpertemperatur unter- oder überschreitet, könnte der Nutzer über die App das Shirt „anweisen“, z.B. durch Vergrößerung oder Verkleinerung der Gewebestruktur die Dichte zu verändern.
Im industriellen Bereich gibt es ebenso viele, wie naheliegende Beispiele. In der Wartung von z.B. Maschinen (Flugzeug, Fahrzeug, Roboterarm etc.) müssen Bauteile nach bestimmten Laufzeiten getauscht bzw. aufwendig auf Sicht auf Ihren Verschleiß kontrolliert werden. Wenn jedes Bauteil den eigenen Verschleiß aufzeichnet und über eine Schnittstelle zur Verfügung stellen könnte, wäre es möglich den Zustand einer Maschine zu jedem Zeitpunkt genau zu erkennen. Weiter gedacht könnte diese Maschine bestimmte Bauteile selbstständig austauschen oder reparieren (z.B. durch selbstreparierende Materialien). Ein weiteres Beispiele aus der Industrie ist das Smart Grid, eine effiziente Stromversorgung durch intelligente Verteilung von Strom aus verschiedenen Quellen an unterschiedliche Abnehmer.
Für Unternehmen stellt IoT neue Möglichkeiten aber auch viele neue Herausforderungen dar. Neben vielen Details können die folgenden Herausforderungen als die wichtigsten angesehen werden, denen sich Unternehmen im IoT Umfeld stellen müssen:
Datenschutz und Sicherheit
Durch IoT werden Daten gesammelt – jede Menge. Es muss sichergestellt sein, dass diese Daten nicht gefährdet werden. Viele Hersteller kämpfen mit dieser Aufgabe, da sie üblicherweise (bisher) nicht aus einem digitalen Umfeld kamen. Unsere Empfehlung ist, erfahrene Partner aus der Entwicklung für Web und Apps hinzuziehen, da diese sich mit dem Thema Datenschutz und Sicherheit täglich auseinandersetzen.
IPv6 Einführung
Ohne die flächendeckende Einführung und Nutzung vom IPv6 wird sich IoT kaum durchsetzen. Es fehlen Möglichkeiten zur Skalierung und des Zugriffs, welche mit IPv4 einfach nicht gegeben sind. Laut einer Studie von Gartner werden bis zum Jahr 2020 zwischen 20 und 50 Milliarden Geräte mit dem Internet verbunden sein – der IPv4 Adressraum ist aber lediglich 4 Milliarden Adressen groß. Somit kann mit IPv4 nicht jedes (IoT)-Gerät eine eigene IP bekommen, was jedoch eine Voraussetzung für „connected products“ ist.
Geschäftsmodell & Strategie
Unternehmen müssen für sich herausfinden, welche Kompetenzen sie intern aufbauen bzw. ausbauen. Es macht Sinn, sich als Hardwarehersteller mit einer spezialisieren Lösung weiterhin darauf zu konzentrieren und für die Anbindung der Produkte (z.B. über WebApp, Apps etc.) und Möglichkeiten zur Monetarisierung, Produktstrategie erfahrene Partner ins Boot zu holen.
Das Geschäftsmodell muss zu den neuen Möglichkeiten passen. Wenn die bisher „passive“ Hardware auf einmal intelligent ist, viele Daten oder Zugriffsmöglichkeiten zur Verfügung stellt, sollte auch Geschäftsmodell überdacht werden. Kann ein bisher als reiner Verkauf von Hardware / Maschinen umgesetztes Geschäftsmodell eventuell in eine Dienstleistung umgewandelt werden? („benötige ich eine eigene CNC-Maschine oder nutze ich den Service, über welchen ich meinen Auftrag digital einreiche, die Maschine selbst steuere, überwache, pro Stunde bezahle und mein Bauteil dann geliefert bekomme?“)
Legacy IT und Softwarestrategie
Es gibt die typischen gewachsenen Anwendungen, welche seit Jahren entwickelt werden und bei denen es schwer ist, „alte Zöpfe abzuschneiden“. Evtl. macht es Sinn, auf eine Neuentwicklung zu wechseln und diese mit weniger Funktionen, aber dafür „connected“ anzubieten. Auch hierbei kann ein externe Partner helfen, die „richtigen“ und „wertvollen“ Funktionen zu definieren, gemeinsam zu entwickeln und eine langfristige Strategie zu entwickeln (IoT Systeme werden sicherlich eine ganze Weile „leben“).
Umgang mit „Big Data“ & Cloud Computing
Mit IoT wird auch das Thema Big Data relevant. Die Produkte sammeln Daten – teilweise Milliarden und in geringer Zeit (z.B. durch regelmäßiges Abtasten). Dafür muss technisches KnowHow entstehen im Umgang, der Verarbeitung und Visualisierung von vielen Daten. Ebenso müssen Unternehmen sich in Zeiten der immer mehr verfügbaren Cloud-Infrastruktur und sinkenden Kosten keine eigene In-House-Infrastuktur mehr leisten – die Wartung und Pflege dieser mittlerweile sehr komplexen und hochverfügbaren System sollte ausgelagert werden.
Protokoll-Standards
Bisher konnte sich die Industrie noch kein allgemeines Protokoll festlegen, welches als Standard für die M2M Kommunikation dienen soll. Gegenwärtig stehen die (Open Source) Protokolle MQTT und OPC-UA als die Standards zu Diskussion – welches es schlussendlich wird, steht noch aus. Aktuell scheint OPC das Rennen zu gewinnen.
Ausblick
IoT bietet neben einer Reihe von tollen Möglichkeiten für neue Produkte und Services auch einige Herausforderungen für Unternehmen. Diese reichen von der internen Prozessstruktur (Datenschutz, Sicherheit) bis hin zur eigenen Fachkompetenz, dem Geschäftsmodell und der Strategie. Nicht alles muss und sollte ein Unternehmen, welches IoT für sich einführen möchte, selbst machen. Falls Sie die Herausforderung und Chance IoT für Ihr Unternehmen angehen möchten, unterstützen wir Sie gerne.
Mehr erfahren Sie auch unter: http://industrie40.ux-plus.com/